Markus Heingärntner: Mieten statt besitzen
*Das Interview erschien ursprünglich im Buch Erfolgsgründer made in Austria (2014). Hier bestellen.
Kurzbiographie
Im August 2011 kam Markus Heingärtner während des Urlaubs die zündende Idee: Eine Plattform, auf der jeder seine alltäglichen Gegenstände vermieten kann. Damit war usetwice.at geboren. Anfang März 2012 gab der Vorarlberger seinen Beruf als Geschäftsführer des Management Clubs auf, um sich ganz dem Aufbau des Unternehmens zu widmen. Technische Unterstützung bekommt er dabei von seinem Bruder und Web-Programmierer Thomas Heingärtner, sowie dem zweiten Web-Programmierer im Team Christof Furxer. Zuvor sammelte Markus Heingärtner berufliche Erfahrungen beim Österreichischen Wirtschaftsbund sowie der PR-Agentur Ketchum Publico. Neben seiner unternehmerischen Aktivität war er unter anderem bei Herold Business Data, NZZ Österreich, Singularity University tätig und gründete 2015 die ICG dignit consulting.
Zum Unternehmen
usetwice.at ist seit dem 19. Dezember 2012 online. Die Plattform versteht sich als Marktplatz für Vermietgegenstände, auf der User Gegenstände vermieten und mieten können.
ErfolgsgründerInnen Interview
Kannst du kurz erzählen, wie du darauf gekommen bist, eine Plattform fürs Mieten und Vermieten zu starten?
Markus Heingärtner: Grundsätzlich war ich immer ein Fan der schlanken Lebensweise. Ich bin schon als Student viel im Ausland unterwegs gewesen und später auch beruflich mehrmals umgezogen. Großer Besitz ist da eher unpraktisch, denn Eigentum schränkt die eigenen Optionen ein. Ich möchte beispielsweise gar keine Ferienwohnung besitzen, denn für zwei Wochen im Jahr ist das ganz schön viel Arbeit. Eigentum muss gepflegt werden und außerdem würden andere Urlaubsziele fast vollständig wegfallen. Ich habe dazu mal eine schöne Metapher von Dietmar Dahmen auf einer Sharing Economy Konferenz in Berlin gehört. Er hat gemeint, wenn man mit der rechten Hand etwas festhält, kann man mit dieser Hand nichts anderes mehr machen. Sie ist blockiert. Airbnb war ein bisschen das Poster Child der entstehenden Sharing Economy und ich habe angefangen, mich mit dem Thema intensiver auseinanderzusetzen. In meinem Urlaub habe ich mich in meinem Appartment umgesehen und dabei so viele Dinge entdeckt, die viel öfter genutzt werden könnten. So kam mir die Idee zu usetwice.
Ist das Konzept mieten statt besitzen nicht gerade in einem Land wie Österreich schwer umzusetzen, indem die Menschen unheimlich stolz auf ihr Eigentum sind?
Heingärtner: Ich denke, das ist neben dem Alter ganz grundsätzlich vom Typ abhängig. Die Generation vor mir hat noch die große materielle Not nach dem Krieg mitbekommen. Die wollten sich etwas aufbauen und für die ist Eigentum sehr wichtig. Die jüngeren Generationen haben von diesen Mängeln nichts mehr gesehen oder gehört. Für sie ist es selbstverständlich, dass Sachen verfügbar sind. Das verändert natürlich auch die Einstellung gegenüber Eigentum. Wenn man die Sinus Milieus betrachtet, dann gibt es mit den Postmaterialisten einen immer größer werdenden Teil von Leuten, die sehen, dass Verfügbarkeit statt Eigentum mehrere Vorteile hat. Zum einen natürlich den harten finanziellen Vorteil: Wenn man überlegt wieviel ein Auto kostet, dann kann man sich dafür schon sehr viele car2gos, Zipcars, Taxis oder Mietautos leisten. Zum anderen hat man dadurch zu mehr Dingen Zugang. Wenn ich möchte, kann ich mir an einem Wochenende ein Cabrio ausleihen, am zweiten Tag einen Mini und am dritten Tag einen Kombi.
Autos können aber über deine Plattform nicht gemietet werden. Welche Artikel werden denn typischerweise auf usetwice nachgefragt?
Heingärtner: Interessanterweise ist es gar nicht so sehr der klassische Bohrhammer, weil den viele haben oder jemanden kennen, der einen hat. Nachgefragt werden vielmehr große und spezielle Gegenstände. Gute Beispiele sind ein Hochdruckreiniger, eine Schibox fürs Auto, oder ein Beamer. Das sind auch Dinge, die über 150 Euro kosten und die man sich nicht so schnell kauft. Wir kämpfen jetzt vor allem darum, das Konzept des Mietens bekannter zu machen. Mieten ist in vielen Bereichen noch nicht der erste Gedanke.
Gerade bei Startups ist die Finanzierung immer eine schwierige Sache. Wie habt ihr das bei usetwice bewerkstelligt?
Heingärtner: Bisher habe ich alles selbst finanziert. Startkapital waren rund 40.000 Euro. Zu Beginn habe ich noch geglaubt, ich kann mit einer PowerPoint-Präsentation zu Investoren gehen und die geben uns dann das Geld. Das war nachträglich betrachtet natürlich eine sehr naive Vorstellung. Interesse gab es schon, aber ohne Track-Record geht einfach nichts. Das verstehe ich jetzt auch. Ein guter Freund, Hermann Futter vom Compass Verlag, hat zu mir gesagt: Die Idee ist gut, aber die Idee ist nur 5 Prozent des Erfolges, 95 Prozent sind die Umsetzung. Da hat er vollkommen recht. Deswegen haben wir gesagt, wir machen die Plattform erstmal selber und dann schauen wir, dass wir zu mehr Geld kommen.
Das kann aber nicht ewig so weiter gehen.
Heingärtner: Heute sind wir genau in der Phase, wo wir mehr Geld brauchen, damit wir uns schneller weiterentwickeln können. Mein Bruder Thomas und Christof, unsere beiden Web-Programmierer, haben derzeit noch nebenbei Jobs. Wir wollen aber noch viel an der Plattform verbessern und da brauchen wir die beiden Full-Time. In den nächsten 18 bis 24 Monaten wollen wir mit Investoren rund 300.000 Euro aufstellen und davon zirka 60 Prozent ins Personal investieren, 30 Prozent ins Marketing und 10 Prozent für Sonstiges.
Waren Förderprogramme nie eine Option?
Heingärtner: Das hat sich als schwierig herausgestellt. Förderungen haben wir uns zwar angeschaut, aber weder bei Departure noch beim ZIT hat es funktioniert. Wir hatten sogar eine Förderberaterin, aber die Sache war trotzdem sehr aufwendig und wir haben es dann bleiben lassen. Die geforderten Unterlagen zur Einreichung sind meiner Meinung nach für Startups völlig ungeeignet. Wie soll denn ein Startup fünf Jahre vorausplanen? Ich habe nicht mal gewusst, was in einem Jahr sein wird. Gleichzeitig scheint es stark davon abzuhängen, wie intensiv man die Beziehung zu den Förderstellen pflegt. Das zu machen, hat mich aber nicht interessiert.
Wie sieht jetzt dein Plan zur Monetarisierung aus?
Heingärtner: Noch überlassen wird die Zahlungsvereinbarung dem Vermieter und Mieter direkt, um erst einmal genügend Mietgegenstände auf die Plattform zu kriegen. Die Idee ist aber grundsätzlich, dass wir eine Zahlungsabwicklung einbauen und dann 15 bis 20 Prozent der Miete einbehalten. Also eine klassische Transaction Fee. Dabei wird die Abrechnung ähnlich funktionieren wie bei Airbnb. Der Mieter sieht und bucht das Ding, wobei er gleich bezahlt. Der Vermieter erhält dann zwei bis drei Tage später 80 bis 85 Prozent des Mietpreises von uns überwiesen. Ein zweiter Erlöskanal soll durch das Mitverdienen einer Versicherung entstehen. Auch diese Option müssen wir erst einbinden. Und ein dritter Erlöskanal kann ein Upselling sein, indem ein Vermieter seine Inserate besser platzieren kann.
Die Plattform ist aber als reiner Consumer-to-Consumer-Verleih geplant?
Heingärtner: Nein, ganz im Gegenteil. Ein interessanter Pfad für usetwice ist sicher auch der B2B-Verleih. Ganz einfach aus dem Grund, dass unsere Kernkompetenz „underused assets“ sind. Es gibt Unternehmen, die wenig ausgelastete Spezialmaschinen haben und diese dann an andere Unternehmen vermieten könnten. Denkbar ist aber natürlich auch die Vermietung von Seminarräumen und ähnlichem. Da haben schon einige Unternehmen bei mir angefragt.
Du bist noch in einer sehr frühen Unternehmensphase – hast du trotzdem schon an die Skalierung gedacht?
Heingärtner: Ja, durchaus. Wobei es so ist, dass wir sehr viele Transaktionen brauchen, damit unser Dienst wirklich gut nutzbar ist und wir ein vernünftiges Umsatzvolumen erreichen. Die Leute müssen in ihrer näheren Umgebung die benötigten Gegenstände finden, denn eine weite Anreise macht keinen Sinn. Für eine Stadt wie Wien bedeutet das mindestens 4.000 eingestellte Artikel. Das ist jedenfalls einer der Gründe, warum wir uns jetzt ganz auf Österreich fokussieren und erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Nachbarländer expandieren wollen. Eigentlich geht es vielmehr um die großen Nachbarstädte, weil hier die Anzahl der verfügbaren Mietgegenstände und Entfernungen in einem sinnvollen Verhältnis stehen. Usetwice ist auf drei Eckpfeilern aufgebaut: Nähe, günstige und transparente Preise und einfache Auffindbarkeit.
Welche Erfahrung hast du bisher mit der Vermarktung von usetwice gemacht?
Heingärtner: Es gibt einen schönen Spruch, der lautet: „Good advertising kills a bad product faster“. Mit einem schlechten Produkt kann aber auch ein unvollständiges gemeint sein. Bereits sehr früh, sehr viel zu werben, kann sogar kontraproduktiv sein. Wir machen derzeit viel Laufarbeit und zwar ganz in dem Sinne, dass man manchmal nicht skalierbare Dinge tun muss, um ein skalierbares Produkt zu verkaufen. Beispielsweise gehen wir in die Haushalte unserer Vermieter und fotografieren die Vermietobjekte selber, wenn die das wollen. Wir sprechen derzeit viel mit Verlagen, die sich Gedanken darüber machen, wie sie ihre Reichweite besser monetarisieren können. Media for Equity ist für uns sicher eine Option. Wirklich interessant ist das aber nur im TV und Online und dort muss das Äquivalent an Werbeverkaufspreisen für die Beteiligung großzügig rabattiert sein.
Usetwice ist seit Jänner online. Wie wurde die Plattform technisch umgesetzt?
Heingärtner: Wir haben usetwice auf Basis von Symfony entwickelt, um unsere beiden Programmierer etwas zu entlasten. Das ist ein auf PHP basierendes Framework, das viele adaptierbare Funktionen bereits integriert hat. Bei der Funktionalität haben wir uns früh an Airbnb und Wimdu orientiert. Wir haben uns aber auch überlegt, welche Funktionen es wirklich braucht und auf welche wir erst einmal verzichten können, um möglichst schnell auf den Markt zu kommen.
Ein Unternehmen zu gründen, ist oft kein leichtes Unterfangen. Hast du jemals ans Aufgeben gedacht, wenn bestimmte Dinge nicht so aufgingen, wie du es dir gedacht hast?
Heingärtner: Nein, denn ich bin nach wie vor vom Konzept der Sharing Economy überzeugt. Sehr gut funktioniert hat das bereits im Wohnungsbereich mit Airbnb oder Wimdu, die es schon seit zirka sechs Jahren gibt. Es funktioniert auch bei Autos gut, wie es car2go und Zipcar beweisen. Unser Bereich – Gegenstände aller Art – ist der jüngste. Natürlich stellt sich die Frage, wie lange es noch braucht, bis sich die Idee durchsetzt. Andererseits gibt es in diesem unreifen Markt nur wenige Mitbewerber, die ebenfalls noch in der Gründungsphase sind.
Nachdem du aktiv nach einem Investor suchst, welchen Marktwert gibst du deinem Unternehmen heute?
Heingärtner: Unser Startup würde ich mit 600.000 bis 1.000.000 Euro bewerten. Das klingt nach einem hohen Betrag, aber Gespräche mit Business Angels und Investment-Profis haben mir gezeigt, dass das durchaus realistisch ist. Wir haben bereits umfangreiche Medienarbeit geleistet und die Marke ist bereits bekannt. Ist die Bewertung zu niedrig, dann müsste man für ein Investment von 150.000 Euro womöglich die Hälfte der Firma hergeben. Grundsätzlich ist das aber eine ganz schwierige Frage, denn andererseits gibt es auch den Fluch der zu hohen Bewertung. Dann findet sich vielleicht in der zweiten Finanzierungsrunde kein Investor mehr, weil der Preis nicht mehr angemessen erscheint.