Trends verstehen und nutzen

“Die wahre Entdeckungsreise besteht nicht darin, dass man nach neuen Landschaften sucht. Sondern dass man mit neuen Augen sieht.” Marcel Proust

Wie die immer kürzer werdenden Innovationszyklen unserer Produkte befindet sich auch unsere gesamte Gesellschaft in ständigem Wandel. Er bestimmt Wirtschaft, Technik und Gesellschaft gleichermaßen und stellt neue Herausforderungen, insbesondere an Wirtschaftstreibende und Investoren. Wie aber kann man technologische und soziale Trends oder gar Megatrends von kurzzeitigen Hypes unterscheiden? Welche Geschäftsmodelle erscheinen nur kurz im Rampenlicht der Öffentlichkeit und welche können nachhaltig wirtschaftlich erfolgreich sein?

 

Megatrends sind jene epochalen Entwicklungen in unserer Gesellschaft, die sich über einen Zeitraum von 30 Jahren oder mehr erstrecken und alle Bereiche unseres Lebens auf vielfältige Weise verändern. Sie sind hochkomplex, bestehen aus unzähligen oft paradoxen Sub-, beziehungsweise Gegentrends und vor allem: Sie lassen sich von einzelnen wirtschaftlichen, sozialen oder politischen Akteuren nur schwer bis gar nicht beeinflussen. Umso wichtiger ist es für Unternehmen und Investoren Entwicklungen wie Urbanisierung, Globalisierung oder den europaweiten Shift zur Dienstleistungsgesellschaft zu verstehen um zukunftsträchtige Business Modelle schon heute erkennen und entwickeln zu können. Welche Eigenschaften muss ein Produkt aufweisen, das in einem Land verkauft wird, in dem schon bald mehr als 20% der Bevölkerung über 60 sind? Und wie werden sich die Bedürfnisse und Konsumgewohnheiten zukünftiger Senioren von denen der alten Menschen, wie wir sie heute kennen, unterscheiden?

Die immense Wirkung von Megatrends auf jedes Geschäftsmodell bedeutet jedoch nicht, dass nicht auch Hypes und weniger tiefgreifende Veränderungen und Entwicklungen die Basis für ein erfolgreiches Geschäftsmodell sein können. Zum einen können sie sich, wie der Trend zu Bio-Lebensmitteln im tiefgreifenden Wertewandel Neo-Ökologie, im Fahrwasser eines anhaltenden Megatrends bewegen. Zum anderen funktioniert ein Hype im Idealfall sogar als Trendsetter und fügt sich zusammen mit anderen zu einer tiefer greifenden Entwicklung. Wer sein Geschäftsmodell also beispielsweise auf dem derzeitigen technologischen Trend Fabbing* aufbauen möchte, muss ihn zwangsläufig mit anderen Entwicklungen in Verbindung bringen um seine Rolle in der Business Welt von morgen solide zu bewerten.

Für einen erfolgreichen Investor ist es freilich zu wenig nur auf sein Bauchgefühl zu achten. Im Zeitalter von „Big Data“ sind wir heute in der glücklichen Situation so viele Informationen über unsere (potentiellen) Kunden zur Verfügung zu haben wie niemals zuvor. Das bringt jedoch auch die Herausforderung mit sich in all der niemals enden wollenden Datenflut („Noise“) die entscheidenden Muster und Zusammenhänge („Signal“) herauszufiltern. Nicht nur das WIE, welches sich in den Daten und Statistiken wiederspiegelt, sondern vor allem das WARUM ist für die Entwicklung und Beurteilung neuer Geschäftsmodelle relevant. Besonders die Sozialwissenschaften sowie die Trend- und Zukunftsforschung liefern uns hier ein umfangreiches „Tool Kit“ um das Handeln von Menschen nicht nur zu beobachten sondern auch zu verstehen und somit die zukunftsrelevanten Muster auszusieben. Delphi Methode, Trendfeldanalyse, Szenarioplanung und teilnehmende Beobachtung sind nur einige Werkzeuge, die in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft rasant an Bedeutung gewinnen. Wer Trends analysieren und bewerten möchte, muss vor allem danach streben, wichtige Trendindikatoren, die sich beispielsweise auch in Utopien über die Zukunft – in Kunst, Design und Architektur wiederspiegeln, frühzeitig zu erkennen.

Schlussfolgernd plädiere ich dafür, einen technologischen oder gesellschaftlichen Trend, der oftmals die Basis von Innovation und neuen Business Modellen darstellt, immer vernetzt mit anderen Entwicklungen und insbesondere Megatrends zu betrachten. Nur so kann man die Nachhaltigkeit eines Geschäftsmodells bewerten und es gegebenenfalls nachjustieren. Nur wer die Kunden von morgen versteht und in unterschiedlichen Szenarien denkt, erkennt das Potential oder Nicht-Potential gegenwärtiger Trends schon heute.

 

* unter Fabbing versteht man die Technologie des 3D Druckens, von der sich viele eine neue industrielle Revolution erhoffen. Werden wir in Zukunft einen Großteil unserer Produkte zu Hause selbst drucken oder handelt es sich dabei nur um einen kurzfristigen Hype, der gar nicht das Potential zur Massentauglichkeit hat?

 

Michael Baumgartner, BA:

Michael Baumgartner studierte Kultur- und Sozialanthropologie sowie Betriebswirtschaft an der Universität Wien. Seit 2012 ist er als Autor und Berater unter anderem für das Zukunftsinstitut tätig. Sein Interesse gilt insbesondere jenen Sozialtrends und Dynamiken, die zukünftige Märkte maßgeblich bestimmen und neue Innovationsfelder schaffen.

 

Leseempfehlungen:

Naisbitt, John: Megatrends, Hestia Verlag Bayreuth, 1982

Horx, Mathias: Das Megatrend Prinzip, Deutsche Verlags-Anstalt, 2011

𝗙𝗢𝗟𝗚𝗘 𝗨𝗡𝗦 𝗔𝗨𝗙 𝗦𝗢𝗖𝗜𝗔𝗟 𝗠𝗘𝗗𝗜𝗔: